DIE AKTUELLE LAGE DER SOZIALEN DIENSTE IN DER TÜRKEI 1999 – AM BEISPIEL EINE STAATLICHE SOZIALE ORGANISATION

Doç. Dr. İlhan TOMANBAY*

Inhaltsverzeichnis

– Einführung
– Die “Anstalt für Soziale Dienste und Kinderbehütung” (SHÇEK)
– Die Sozialen Dienste der SHÇEK
– Familiendienste
– Schutzbedürftige Kinder und Jugendliche
– Straßenkinder
– Kindertagesstätten
– Altersheime
– Frauenhäuser
– Pflege- und Rehabilitationszentren für Behinderte
– Gemeinschaftszentren
– Materielle und finanzielle Hilfe
– Pflegefamilien und Adoptivkinder
– Zusammenarbeit mit den ISS (International Social Services)
– Schlußwort
Literaturverzeichnis

EINFÜHRUNG

Es gibt in Deutschland viele Menschen im Bereich Sozialarbeit und Sozialpädagogik, die an der Sozialarbeit und den sozialen Diensten in der Türkei Interesse haben. Oft bekomme ich von StudentInnen und WissenschaftlerInnen aus dem Fach Briefe, die darüber Information verlangen. Viele der Interessenten wollen neue Erkenntnisse und Zahlen über verschiedene soziale Problembereiche in der Türkei oder über die Organisationsstruktur der sozialen Dienste. Davon ausgehend habe ich in dem Beitrag versucht, die aktuelle Lage der Sozialen Dienste in der Türkei zusammenzufassen*.

Die sozialen Dienste sind in der Türkei auf drei verschiedene Arten organisiert werden.

  1. Als staatliche Institutionen der sozialen Arbeit,
  2. als kommunale Institutionen,
  3. als private Einrichtungen und
  4. als freiwillige Einrichtungen.

Staatliche Verwaltung(en) und kommunale Verwaltungen sind zwei unterschiedliche Organisationen in der Türkei. Das Verwaltungssystem der Türkei ist in diesem Sinne zweiköpfig: Staatlich und Städtisch*. Deshalb wäre es zu umfangreich, ist es nicht so einfach in einem Beitrag alle sozialen Dienste in der Türkei richtig zu schildern. Da es aber ein breites Thema ist, möchte ich in diesem Beitrag nur die staatlichen sozialen Dienste bearbeiten.

Staatliche Institutionen sind die Institutionen, die der zentralen Verwaltung unterstellt sind. Es gibt einige zentrale Anstalten im Bereich der sozialen Arbeit. Zum Beispiel, die “Anstalt für Soziale Dienste und Kinderbehütung (Kinderschutz)”* (SHÇEK), die Familienforschungsanstalt (Aile Araştırma Kurumu) und das Präsidium für Behindertenverwaltung (Özürlüler İdaresi Başkanlığı). Sie sind Staatsministerien unterstellt. Die Familienforschungsanstalt und das Präsidium für Behindertenverwaltung sind nur politische, verwalterische Dienstzentren. Es gibt keine soziale Einrichtung im Verantwortungsbereich dieser Institutionen. Aber der Anstalt für Soziale Dienste und Kinderbehütung angegliedert sind verschiedene Einrichtungen, wie Kinderheime, Jugendheime, Altersheime, Rehabilitationszentren, sowie Frauenhäuser und Bürgerhäuser.

Man kann diese Institutionen als primäre Institutionen im Bereich sozialer Arbeit nennen. Es gibt noch sekundäre Institutionen, zum Beispiel, “das Generaldirektorat für Therapeutische Dienste” im Gesundheitsministerium für die gesundheitliche und psychiatrische Sozialarbeit, “die Soziale Versicherungsanstalt” mit ihren Krankenhäusern und Kindertagesstätten, wo die Sozialarbeiter tätig sind; “die Amtspräsidien für Gesundheit, Kultur und Sport” für die Jugendsozialarbeit (in jeder Universität), “das Generaldirektorat für Straf- und Haftanstalten” im Justizministerium mit den Strafanstalten und der Sozialarbeit mit Verhafteten; usw.

“DIE ANSTALT FÜR SOZIALE DIENSTE UND KINDERBEHÜTUNG” (SHÇEK)

Der Rahmen dieses Beitrages begrenzt sich auf die SHÇEK. Der Träger von der SHÇEK ist eines der 17 Staatsministerien*. SHÇEK ist ein Generaldirektorat. Darunter gibt es Amtspräsidien, zuständig für Familie und Kinder, für alte Leute, Behinderte und allgemeine Soziale Dienste.

SHÇEK hat eine Generaldirektion in Ankara, sowie Provinzdirektorate in den 80 Provinzen der Türkei. Darüber hinaus verfügt es zerstreut in Städten und manchen Kleinstädten über verschiedene soziale Einrichtungen, wie Kinderheime, Jugendheime, Altersheime usw.

Die SHÇEK ist eine Anstalt mit Nachtragsbudget*. Dadurch kann die Anstalt Spenden sammeln. Und auch erhält sie gesetzlich einen Anteil von den Einkommen einiger öffentlicher Institutionen. Zum Beispiel, vom Budget der Kommunalverwaltungen, der Provinzverwaltungen, von den staatlichen Lotterien und dem Türkischen Luftfahrtverein (der wird vom Staat unterstützt). Sie erhält auch Umlaufkapital vom Ministerpräsidium. Außerdem hat die Anstalt Mieteinkommen, aus den gespendeten Gebäuden und Häusern.

Die sozialen Einrichtungen, deren Träger die SHÇEK ist, sind folgende:

Tabelle 1

Die Einrichtungen, die der SHÇEK angegliedert sind (Bis Mai 1999)

Einrichtungen Altersgruppe Zahl der Einrichtungen Zahl der gepflegten Menschen
Kinderheim 0-12 76 7.231
Jugendheim 13-18 96 10.378
Jugendhäuser (Gençlikevi) (Nachbetreungseinrichtungen der Jugendheime) 18+ 6 30 ~
Rehabilitationszentren für Straßenkinder ~ 18 6* 200 – 300 ~
Kindertagesstätte 0-6 23 2000 ~
Altersheim 60+ 50 5435 Kapazität
Altersberatungsstelle (Tagesstätte) 60+ 5 900 ~ Mitgied
Frauenhäuser Für Frauen 8 1722 (1990-1999)
Pflege- und Rehabilitationszentren für Behinderte 46 3455
Gemeinschaftszentren 24 1994-1998: 29143 1999 bis Mai: 5000 Beteiligte

Kaynak: (a) SHÇEK 1999 Mali Yılı Bütçesi TBMM Plan ve Bütçe Komisyonuna Devlet Bakanı Hasan Gemici‘nin Sunuşu. Ankara. (b) Die letzten Zahlen (Mai 1999) sind von den zuständigen Ämtern der SHÇEK erhielt worden.

DIE SOZIALEN DIENSTE DER SHÇEK

Die sozialen Dienste, die von der SHÇEK nach der Sozialpolitik der Regierung geplant und durchgeführt werden, werden vondem größten der zu Beginn genannten 4 Trägerbereiche der sozialen Dienste eingerichtet, nämlich von den staatlichen soziale Einrichtungen. Die sozialen Dienste der Stadtverwaltungen (Kommunalverwaltungen), von kommerziellen Initiativen und freiwilligen Organisationen, sowie von Vereinen und Stiftungen, entstehen nicht im gleichen Umfang wie bei der SHÇEK. Sie sind nicht so gut entwickelt.

Familiendienste

Neben den sozialen Diensten durch soziale Einrichtungen führt die SHÇEK auch Familiendienste durch. Nach dem Arbeitsbericht der Anstalt wurden etwa 10.000 Kinder und Jugendliche in den Familien unterstützt. Der Dienst besteht in Familienbesuchen, sozialen Untersuchungen und der Gewährung sozialer Hilfen.

Schutzbedürftige Kinder und Jugendliche

Nach dem Gründungsgesetz der SHÇEK (Nr: 2828/1983) werden die schutzbedürftigen Kinder und Jugendlichen definiert. Das sind die Kinder; deren körperliche, seelische und moralische Entwicklung und deren persönliche Sicherheit in Gefahr ist;

  1. die keine Mutter oder keinen Vater oder keine Eltern haben,
  2. bei denen ein Elternteil oder beide Eltern unbekannt sind,
  3. Die durch ihre Eltern oder ein Elternteil ausgesetzt wurden,
  4. Die, durch ihre Eltern vernachlässigt werden und so gegen alle Art von sozialer Gefahr schlechte Gewohnheiten, gegen Prostitution, Bettelei, Alkohol- oder Drogenkonsum wehrlos und verwahrlos sind (Absatz: 3).

Die Zahl der “schutzbedürftigen Kinder” ist unbekannt. Es wird seit Jahren von 500.000 bis 4.000.000 geschätzt oder behauptet (Tomanbay 1990. 137). Richtig ist, eine große die Menge der Kindern und Jugendlichen von 0 bis 18 in der Türkei beträgt 41 % der Bevölkerung (DIE 1995). Das ist die Wahrheit und ihre Zahl ist nach der Durchführung der monetaristischen Wirtschaftspolitik (Friedmanspolitik) ab 24 Januar 1980 wesentlich hoch gegangen*.

Nach einer Forschung wurden 51.41 % der in den Kinder- und Jugendheime, betreuten Kinder und Jugendlichen wegen Armut unter den Schutz des Staates genommen (1999 Yılı Mali Bütçesi… s. 12).

Für die schutzbedürftigen Kinder gibt es in der Türkei zwei staatliche Institutionen. Kinderheime und Jugendheime. In den Kinderheimen werden die Kinder von 0 bis 12 gepflegt, in den Jugendheimen die von 13 bis 18. In insgesamt 172 Einrichtungen werden rund 18.000 schutzbedürftige Kinder und Jugendliche betreut. In diesen Einrichtungen werden SozialarbeiterInnen, LehrerInnen, PsychologInnen, der Arzt/Ärztinnen und Krankenschwestern als Fachpersonal beschäftigt.

Im folgenden betrachte man die genauen Zahlen der schutzbedürftigen Kinder, die in den Kinder- und Jugendheimen von SHÇEK geschützt, betreut und gepflegt werden:

Tabelle 2

Die Zahl der staatlich geschüzten schutzbedürftigen Kinder und Jugendlichen (Oktober 1998)

Altersgruppe Mädchen Jungen Total
0 – 6 722 1.032 1.754
7 – 13 1.831 3.228 5.059
13 + (im Kinderheim) 189 229 418
Total (Kinder) 2.742 4.489 7.231
13 – 18 (5-8. Klasse)     5.809
13 – 18 (Gymnasium)     3.564
13 – 18 (Uni.)     320
13- 18 (Andere)     685
Total (Jugendlichen)     10.378
TOTAL (Kinder und Jugendlichen)     17.609

Die Jugendlichen, die 18 sind, sollen diese Einrichtungen verlassen. Aber wenn sie keine Arbeit oder Stelle haben, oder nicht geheiratet haben, werden die nicht auf die Straße geschickt. Die SozialarbeiterInnen sollen für sie eine positive Lösung finden.

Es gibt 6 Jugendhäuser für die jenigen, die über 18 sind, aber keine Arbeit oder Stelle gefunden haben. Das sind Appartmenthäuser. Die Jugendliche werden dort noch eine Weile von Sozialarbeitern betreut.

Es gibt ein Gesetz, durch das schutzbedürftige Jugendliche, die in den Jugendheimen aufgewachsen sind, werden durch eine Staatlichen Prüfung eine Stelle in den Behörden bekommen können (Gesetznummer: 3413, Datum: 1988). Durch dieses Gesetz wurden vom Jahre 1988 bis Ende 1998 rund 13.850 Jugendliche vom Staat eingestellt.

Straßenkinder

Wegen der seit dem 24. Januar 1980 verschlechterten Einkommensverteilung und der verbreiteten Armut, aber auch wegen dem Rückgang der Schulausbildung und der schlechteren Erziehung der Kinder wird sich in der Türkei das Problem der Straßenkinder und der auf der Straße arbeitenden Kinder rasch vergrößern. Wenn wir uns erinnern, daß die Zahl der Kinder und Jugendlichen von 0 bis 18 in der Türkei 41 % der Bevölkerung beträgt, wird die Dimension des Problems besser und leichter verständlich. Ebenfalls eine große Rolle spielt die Binnenwanderung, die Familienauseinandersetzen, die mangelnde soziale Unterstützung dieser Kinder, die schlechten Erziehungs- und Ausbildungsmöglichkeiten, der niedrige Stand der Ausbildung der Eltern und auch wirtschaftliche Gründe.

Sie sind verwahrloste Kinder; sie schnütteln Verdünner, UHU und benutzen andere Suchtmittel. Sie geraten in die Fänge von sexuellen Mißbrauch und Prostitution. Sie werden immer gefährlicher für die Menschen in den Großstädten. Sie haben bisher durch Kriminalität Schlagzeilen in der Presse und in den Medien gemacht. Vier jugendliche Schnüffler haben vor Monaten eine Mutter ihre 21 jährige Tochter vergewaltigt und versucht, sie zu ermorden. Die Tochter ist tatsächlich gestorben, die Mutter war schwer verletzt (Hürriyet, 14.11.1998). Noch einen Fall hat es gegeben: Drei drogenabhängige Jugendliche, die 10, 15 und 15 Jahre alt sind, haben einen Kellner, Erhan Ülkü (30) in einer Kneipe in İzmir erstochen, da der Kellner ihnen kein Biergeld geben wollte. Der Kellner war der Sohn einer Rückkehrerfamilie aus Elsenfeld/Deutschland (Milliyet, 6.6.1999).

UNICEF und ILO haben das Thema der Straßenkinder oder der auf der Straße arbeitenden Kinder Anfang der 80‘er Jahre durch finanzielle Unterstützung der Projekte in diesem Bereich aktualisiert. Heute gibt es einige Vereine in Istanbul, İzmir und Ankara, die sich mit Straßenkindern beschäftigen. Danach hat auch die (staatliche) Anstalt für Soziale Dienste und Kinderbehütung (SHÇEK) darauf reagiert und in einigen Städten einige Institutionen gegründet.

Im Jahre 1998 wurde in Istanbul in Zusammenarbeit mit der SHÇEK, Provnzleitung, Kommunalverwaltung und NGO (Nicht-Regierungs-Organisationen) eine Beratungsstelle, eine Station für “Erste Schritt„ (İlkadım Istasyonu) und ein Rehabilitationszentrum errichtet. Dann wurde in İzmir, Ankara, Adana und Istanbul ein Rehabilitationszentrum für Straßenkinder (in Istanbul nennt man es Kinderschutzzentrum (Çocuk Koruma Merkezi)) gegründet und Sozialarbeiter in Dienst genommen.

Kindertagesstätte

Für die Kinder von berufstätigen Eltern hat die SHÇEK Kindertagesstätten. Sie sind sogenannte staatliche Kindertagesstätten. Es sind in der Türkei 23 und dort werden etwa 2000 Kinder von 0 bis 6 betreut. Auch in diesen Einrichtungen sind Sozialarbeiter in einer großen Zahl tätig.

Altersheime

Die Lebenserwartung war in der Zeit der Gründung der Türkischen Republik um 1923 nur 30 Jahre. Das hat sich bis zu den 90‘er Jahren auf 68 erhöht (DİE). Deshalb ist alt werden auch ein soziales Thema und das Thema der Sozialarbeit.

Die Zahl der alten Menschen (über 60) in der Türkei beträgt 4.032.656 (1990). D.h. 7,14 % der Bevölkerung sind über 60 Jahre alt. Es wird damit gerechnet, daß diese Prozentzahl im Jahre 2010 über 15 % gehen wird.

Alte Menschen sind auch unter dem institutionellen Schutz der SHÇEK. Für die alten Menschen ab 60 gibt es Altersheime in verschiedenen Städten. Die Zahl der Altersheime beträgt im Jahre 1999 50. Die Kapazität der Altersheime ist 5435. In 4 Altersheimen von den 46 werden bettlägerige alte Menschen gepflegt. Sie heißen “Dauernde Pflege und Rehabilitationszentren für alte Menschen„ (Sürekli Yaşlı Bakım ve Rehabilitasyon Merkezi). Außerdem gibt es 5 Altersberatungsstellen*, mit dem anderen Namen “Altersklub”. Dort werden den alten Menschen tagsüber Freizeitghestaltungsmöglichkeiten gegeben.

Frauenhäuser

Für schutzbedürftige Frauen wurden erste staatliche Maßnahmen 1990 in Ankara getroffen und ein Gästehaus für Frauen errichtet. Heute (1999) gibt es 8 staatliche Frauen Gästehäuser in der Türkei, die von rund 2000 Frauen und ihren 1600 Kindern in Anspruch genommen wurden. In der Zeit wurde etwa für 250 Frauen, die arbeitslos waren, eine Arbeitsstelle besorgt.

Pflege- und Rehabilitationszentren für Behinderte

Die Anstalt bietet auch körperlich und geistig Behinderten in Internaten (18) und Tageseinrichtungen (28) verschiedene soziale Rehabilitationsdienste. Von insgesamt 3455 werden 1295 Behinderte stationiert gepflegt, 2160 Tagesdienst gegeben. Außerdem wurde im Jahre 1998 150 Familien von Behinderten der Beratungsdienst angenommen. Es wurde insgesamt 350 Familien, die zu Hause ein behindertes Familienteil haben, Familiendienst gegeben.

In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Pflege- und Rehabilitationszentren für Behinderte schnell erhöht, weil die Anstalt in den letzten Jahren (ab 1998) kontinuierlich versucht, diesen Dienst mit den freiwilligen Organisationen durch ein Protokoll zu verwirklichen. Die Einrichtungen und ihre Infrastruktur werden von freiwilligen Organisationen errichtet und ausgestattet, die Anstalt besorgt das Fachpersonal, wie SozialarbeiterInnen. Durch dieses Modell sind im Jahre 1998 16 neue Einrichtungen für Behinderte eröffnet worden.

Gemeinschaftszentren (Toplum Merkezleri)

Die Gemeinschaftshäuser (Bürgerzentren; Nachbarschaftshäuser) sind in der Türkei nicht so gut entwickelt. Die Regierungen und Stadtverwaltungen haben seit Jahren dieses Model nicht so gern gesehen, da sie diese Einrichtungen als gefährlich betrachten, weil die linksorientierten Jugentlichen in den Gemeinschaftszentren politische Arbeit leisten könnten. Einige Versuche der freiwilligen Initiativen in den 70‘er und 80‘er Jahren, Gemeinschaftszentren zu errichten, wurden durch Einwände oder politische Maßnahmen der Regierung verhindert oder zugemacht.

Heute gibt es zwei neue Entwicklungen. Erstens ist die Gruppe der linken Jugendlichen organisatorisch zusammengebrochen und depolitisiert, zweitens ist das Bedürfnis nach Gemeinschaftszentren in den Städten wegen Binnenwanderung und Anpassungsschwierigkeiten gewachsen. Für die Jugendlichen, Frauen und Männer soll etwas getan werden, da sich die Kriminalität und andere soziale Probleme erhöhen. Die Gemeinschaftszentren werden durch die Regierenden inzwischen eher als Diziplin- und Kontrollzentren betrachtet. Deshalb hat die SHÇEK in den letzten Jahren 21 Gemeinschaftzzentren errichtet, wieder durch das Protokoll mit den einigen (politisch indifferenten und affirmativen) freiwilligen Organisationen. Für die Zentren bezahlt die SHÇEK ein oder zwei Fachkräfte wie Sozialarbeiter, und sie bezahlt Strom, Gas und Wasser.

In den Gemeinschaftszentren wird konkret Gemeinwesenarbeit geleistet, die Anpassung unter Nachbarn und neues Verständnis gefördert. Einige Kurse werden für Schüler, Jugendliche, Mädchen und Frauen organisiert und durchgeführt. Sie werden meistens in den Slumgebieten (Gecekondu-Gebieten) angeboten.

Tabelle 3

Erste Gemeinschaftszentren der SHÇEK

Zahl Wo Eröffnungsdatum
1 Gemeinschaftszentrum Altındağ (Ankara) 14.04.l993
2 Gemeinschaftszentrum Karşıyaka (İzmir) 14.04.l993
3 Gemeinschaftszentrum Giresun 29.11.l993
4 Gemeinschaftszentrum Bursa 01.12.1993
5 Gemeinschaftszentrum Çanakkale 29.07.l994
6 Gemeinschaftszentrum Şafaktepe (Ankara) 19.09.l994
7 Gemeinschaftszentrum Edirne 16.03.l996
8 Gemeinschaftszentrum Abidinpaşa (Ankara) 15.01.l996
9 Gemeinschaftszentrum Kepezaltı (Antalya) 12.04.l996
10 Gemeinschaftszentrum Seyrantepe (Diyarbakır) 03.01.l997

In den Gemeinschaftszentren wird neben den Kursen auch Beratung gemacht. Im Jahre 1997 (bis Mai) wurde zum Beispiel über Gesundheit, Erziehung, psychosoziale, wirtschaftliche familiäre und rechtliche Probleme zu den 2.230 Personen Beratungsdienst geleistet. Außerdem wurden 1.003 Menchen in den Gemeinschaftszentren an verschiedenen sozialen Programmen beteiligt, sowie an Seminaren, Feiern, Kursen und kulturellen und künstlerischen Aktivitäten.

Einige Projekte, die in den Gemeinschaftszentren (auch durch die Praktikanten der Fachhochschule für Soziale Dienste (Universität Hacettepe) in Ankara) durchgeführt worden sind:

Mutter- und Kindererziehung, Bildungs eines Frauenausschusses: Einrichtung individueller Fähigkeiten, Hausaufgabenhilfe, Seminare über Gesundheit, Organisierung von Freizeitaktivitäten, Beziehungen in der Familie mit Kindern im Jugendalter, Familienprojekte (z.B. Kommunikation in der Familie), Entwicklung der öffentliche Meinung über Gemeinschaftszentren in der Umgebung, Englischkurse, Tagesmutterkurse, Beteiligung der Frauen am Arbeitsleben, Lese- und Schreibkurse für Straßenkinder, Beteiligung von Jugendlichen an gesellschaftlichen Aktivitäten.

Materielle und finanzielle Hilfe

Es gibt in der Türkei kein Sozialhilfegesetz und es wird nicht allgemein Sozialhilfeverteilt. Die SHÇEK und einige freiwillige Organisationen verteilen ziemlich begrenzt und mit sehr niedrigen Summen Sozialhilfe. Dafür hat die SHÇEK eine Abteilung. Dieser Dienst wurde im Jahre 1987 neu organisiert. Seitdem haben von der Abteilung 55.076 Menschen Sozialhilfe bekommen. Wir können aber nicht sagen, daß die Summe der Sozialhilfe ausreichend ist und es gibt auch keine Tabelle für die Sozialhilfe. Die SozialarbeiterInnen bestimmen, wer wieviel bekommen soll. Es ist für eine Person monatlich rund DM 40-50.

Die soziale Hilfe genugt längst nicht für alle Menschen, die in Not sind. Tatsäclich bekommen nur wenige Gruppen von Bedürftigen diese Hilfe:

  • Erstens, Kinder und Jugendliche aus armen Familien, die in Heimen leben, die aber zu ihren Eltern zurück ziehen können, wenn man die Eltern finanziell unterstützt,
  • zweitens, Kinder und Jugendliche, die von ihren armen Familien nicht versorgt werden können, aber auch keinen Platz in einem Heim bekommen können, weil die Wartelisten sehr lang sind. Durch finanzielle Unterstützung von Eltern kann man vermeiden, daß die Kinder auf Trebe gehen.
  • drittens, behinderte Menschen, die durch diese finanzielle Unterstützung bei der Familie leben können.

Pflegefamilien und Adoptivkinder

Die SHÇEK bietet auch Dienste für “Pflegefamilien” und “Adoptivkinder”. Die Zahl der Kinder, die bei den Pflegefamilien leben, ist eigentlich nicht so hoch, wie man es erwartet und wohl auch gern hätte. Er sind nur 285. Die Pflegefamilien erhalten dafür Geld von der SHÇEK, und sie verteilt Kleidung an diese Kinder. Außerdem werden die Gesundheitskosten (Krankheitskosten) der Pflegekinder auch von der SHÇEK bezahlt.

Nach den Jahren 1997 wurde von insgesamt 285 Pflegekindern 172 mit Zahlung und 113 ohne Zahlung, also freiwillig betreut. Es gab, und das sind die höchsten Zahlen, in Ankara 32, in Istanbul 24, in İzmir 27 und in Hatay 16 Pflegefamilien.

Obwohl ich die Kosten und Summen aller sozialen Dienste einzeln nicht erwähnt habe, möchte ich die Kosten der Pflegefamilie hier als ein Beispiel erwähnen, damit der Leser darüber einen Überblick bekommt.

Tabelle 4

Zahlungssumme für Pflegefamilien im Jahre 1997*

Vorschulalter 9.352.750 TL
Grundschule 10.203.000 TL
Hauptschule 11.478.375 TL
Universitätsalter 12.753.750 TL

Diese Summe wird 50 bis 100 % höher, wenn die Pflegefamilie ein behindertes Kind nimmt. Die Summe wird nach dem Grad der Behinderung und dem Alter der Kinder festgestellt.

Diese Summe wird für die Schulkinder in der Schulzeit verdoppelt.

Diese Summe wird zweimal im Jahr (Februar und August) für Kleidung der Kinder doppelt ausgezahlt.

Das Recht, ein Adoptivkind zu vermitteln, hat die SHÇEK. Im Jahre 1998 sind 386 Kinder, davon 177 Mädchen, 209 Jungen, im Jahre 1999, bis Mai, 84 Mädchen und 90 Junge, insgesamt 174 Kinder in Adoption gegeben worden. In der Warteliste der Anstalt gibt es 1206 Familie, die Adoptivkind haben wollen. (Im Juli 1997 waren es genau 883 Familie). Zur Zeit gibt es im ganzen (ab 1983) 5496 Adoptivkinder in der Türkei (2641 Mädchen (48 %), 2855 Junge (52 %)).

Die Zahl der türkischen und ausländischen Familien, die sich für ein Adoptivkind an die SHÇEK gewandt haben, lautet:

Tabelle 5

Die Familien, die ein Adoptivkind haben wollen (1992-1997*)

Jahr Türkische Familie Ausländische Familie
1992 2
1993 59
1994 32 12
1995 31 8
1996 37 11
1997 15 5
1998   3
Total 176 39

* Bis Juli 1997

Darunter gibt es auch die ausländischen Familien, die ein Adoptivkind haben wollen. Die Zahl der vermittelten Kinder in diese Familien teilt sich wie folgt auf:

Tabelle 6

Adoptivkind zu den ausländischen Familien

Beide sind Ausländer Einer ist Ausländer Insge samt Total
Mädchen Junge Mädchen Junge Mädchen Junge M und J
17 34 9 9 26 43 69

Zusammenarbeit mit den ISS (International Social Services)

Die SHÇEK pflegt eine Zusammenarbeit mit der ISS*. Wenn die ausländischen Behörden sich mit den türkischen Familien im Bereich Sozialarbeit beschäftigen, wenn z.B. ein Kind in der Türkei, dessen Eltern in Deutschland sind, ein Problem hat oder umgekehrt, oder, wenn irgendeine Kommunikation wegen eines Adoptivkindes geführt werden soll, kommt diese Zusammenarbeit zwischen der SHÇEK und den ISS zum Tragen.

Tabelle 7

Die Zahl der Vorgänge (Fälle), die durch Zusammenarbeit zwischen der SHÇEK und ISS durchgeführt werden

Jahr Aus Ausland stammende Akte Aus der Türkei stammende Akte Die Akte, die im Prozeß ist Die Akte, die vollständigt ist
1992 90 6 96 68
1993 92 4 96 70
1994 85 10 95 56
l995 69 10 79 19
1996 48 11 59 3
1997 33 3 36 2
Total 417 44 461 218

Note: Die Zahl der Vorgänge, die in den Jahren 1992-1997 begonnen wurden und zur Zeit noch nicht abgeschlossen sind, beträgt 243.

Besonders die letzten 10 Jahre sind mit solchen Problemen, die internationale Dimension haben, im Vergleich zu den 70‘er Jahren nicht so dicht betroffen. Die Zahl der Akten hat sich ständig gesenkt.*

SCHLUßWORT

Die staatlichen sozialen Dienste, die den Kernpunkt der sozialen Dienste bilden, sind umfassend unter der Anstalt für Soziale Dienste und Kinderbehütung organisiert. Die Anstalt übernimmt im sozialen Rahmen eine wichtige Rolle auch bei Erdbeben, Naturkatastrophen und im Kriegsfalle. Zum Beispiel, als die Flüchtlinge aus Bosnien und dem Kosovo in die Türkei gebracht und in einem Lager betreut wurden, hat die SHÇEK die Flüchtlinge in ihrem Deinstrahmen unterstützt. In den Flüchtlingslagern haben einige Sozialarbeiter Dienst übernommen.

Es gibt in der Türkei leider immer noch nur eine einzige Ausbildungsstätte für Sozialarbeiter, und zwar in Ankara unter der Universität Hacettepe: Fachhochschule für Soziale Dienste. Die von dieser Fachhochschule stammenden etwa weniger als 3000 Sozialarbeiter sind auf dem Arbeitsmarkt. Sie sind überwiegend in der SHÇEK plaziert. Sie sind Staatsbeamten und arbeiten in der sozialen Verwaltung und auch in den sozialen Einrichtungen als Sozialarbeiter*.

Die staatlichen sozialen Dienste sind obwohl sie den größten Teil der gesamten sozialen Dienste ausmachen, natürlich nicht ausreichend. In einer Wirtschaftspolitik, die gegen den Sozialstaat ist und kein Budget für soziale Probleme reservieren will, kann man, glaube ich, mehr nichts tun (nicht mehr tun). Der Name dieser Wirtschaftspolitik heißt Monetarismus und Monetarismus wird seit dem 24. Januar 1980 in der Türkei auch mit der Unterstützung des Militärs ständig durchgeführt. Auf der einen Seite so eine Wirtschaftspolitik, die gegen soziale Maßnahmen ist, auf der anderen Seite, eine relativ hohe Geburtenrate, eine durch diese Politik verbreitete Armut und eine sich immer weiter vertiefende Kluft bei der Einkommensverteilung: Man kann sagen, die staatichen sozialen Organisationen und Dienste stehen vor diesem Hintergrund wie Oasen in einer Wüste.

*

Literaturverzeichnis

Devlet İstatistik Enstitüsü Yıllığı 1990 (Jahrbuch des Staatlichen Statistiksinstituts).

Hürriyet, 14.11.1998

Milliyet, 6.6.1999

Sosyal Hizmetler ve Çocuk Esirgeme Kurumu Kanunu (Das Gesetz der Anstalt für Soziale Dienste und Kinderbehütung). Nr: 2828, TC Resmi Gazete: 27.5.1983/18059

T.C. BAŞBAKANLIK SOSYAL HIZMETLER VE ÇOCUK ESIRGEME KURUMU GENEL MÜDÜRLÜĞÜ, 1999 Mali Yılı Bütçesi TBMM Plan ve Bütçe Komisyonuna Devlet Bakanı Hasan Gemici‘nin Sunuşu. Çoğaltım. (yılsız)

TOMANBAY, İlhan. Wie sozial ist die Türkei?, VWB – Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin 1990

TOMANBAY, İlhan. “Vergleichendes: Zeitgleiche gleiche und andersartige sozialpädagogische und sozialarbeiterische Probleme in der heutigen Türkei”, in: BUCHKREMER, Hansjosef. Handbuch Sozialpädagogik, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1995, s. 200-230

24.5.1983 Tarih ve 2828 Sayılı Sosyal Hizmetler ve Çocuk Esirgeme Kurumu Kanununa Bir Ek Madde Eklenmesi Hakkında Kanun. Nr: 3413, TC. Resmi Gazete: 2.3.1988/19742

*

(14 Mart 2000, Ankara)


* Professor an der Fachhochschule für Soziale Dienste in der Universität Hacettepe. Ankara.

* Meine zwei Beiträge über das Thema sind mittlerweile veraltet. Sie sind: “Die Lage der Sozialarbeit in der Türkei”, SOZIALE ARBEIT – Deutsche Zeitschrift für soziale und sozialverwandte Gebiete, 32. Jahrgang, Heft 6, Juni 1983. Und, “Die Ausbildung von Sozialarbeitern in der Türkei”, SOZIALE ARBEIT – Deutsche Zeitschrift für soziale und sozialverwandte Gebiete, 34. Jahrgang, Heft 4/5, April/Mai 1985. Das zweite Beitrag wurde auch in Englisch veröffentlicht. Für die Interessenten: “Social Work Education in Turkey”, (from German by David Kramer), in: BRAUNS, Hans-Jochen/David KRAMER (Introduced and Edited). Social Work Education in Europa – A Comprehensive Description of Social Work Education in 21 European Countries -, Eigenverlag der Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Frankfurt am Main 1986.

* Staatliche Verwaltung heißt zentrale Exequtive, also vollziehende Gewalt des Staates. Städtische Verwaltung ist die kommunale Verwaltung, die durch kommunale Wahlen gewählt werden. Der Kopf der staatlichen Verwaltung nennt der Gouverneur (Wali), der städtischen Verwaltung ist der Bürgermeister. ????

* Dieser Ausdruck kommt dem türkischen Wortinhalt am nächsten. In Türkisch: “Sosyal Hizmetler ve Çocuk Esirgeme Kurumu” (SHÇEK)

* Die 56. Regierung der Türkischen Republik besteht insgesamt aus 34 Ministerien, davon 17 Staatsministerien.

* Überwiegend haben die öffentlichen Behörden und Institutionen das Gesamtbudget.

* Istanbul (3), İzmir, Ankara, Adana.

* Der Monetarismus wird heute in der Türkei immer noch durchgeführt.

* Ankara (3), İzmir, Çanakkale.

* Je Kind und Familie. Übrigens: 10.000.000 TL beträgt rund DM 50 mit dem Wechselkurs von 1997. Heute haben sie nur noch den Gegenwert von DM 38. Der durchnittliche Lohn eines Arbeiters oder Beamten beläuft sich auf rund DM 500 (100.000.000 TL).

* Die Deutsche Filiale der ISS liegt in Frankfurt am Main.

* Alle Zahlen über SHÇEK sind direkt von der SHÇEK genommen worden.

* Wenn man für die Lage der Sozialarbeit und Sozialarbeiterausbildung Interesse hat, kann man das Buch durchblättern: TOMANBAY, İlhan. “Vergleichendes: Zeitgleiche gleiche und andersartige sozialpädagogische und sozialarbeiterische Probleme in der heutigene Türkei„, in: BUCHKREMER, Hansjosef. Handbuch Sozialpädagogik, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1995, s. 200-230

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